Tierschutzverein Karlsruhe und Umgebung e.V.
Tierheim Karlsruhe - Tierfriedhof Karlsruhe

Projekt des Monats Oktober: Mythen der Einzelhaltung von Kleintieren

Im Tierheim werden wir oft mit Argumenten konfrontiert, wieso die Einzelhaltung von Tieren gerechtfertigt sei.
Da dies allerdings keinesfalls artgerecht ist (außer bei Hamstern) , greifen wir hiermit die „beliebtesten“ Sätze auf und erörtern diese im Sinne des Tierschutzes.

„Aber er wird doch sonst nicht zahm“
Dies nennen wir durchaus ein egoistisches Verhalten von Menschen, da dem Tier ein artgerechtes Leben verwehrt wird, um die eigenen Bedürfnisse zu erzwingen.
Ein Tier braucht Sozialpartner, Kleintiere leben meist in Familienverbänden, Schwärmen, Gruppen. Fehlt dies, so schließt es sich oft natürlich dem Menschen nah an.
Aber es kommt genauso häufig vor, dass ein einsames Tier ängstlich bleibt, es fehlt der Rückhalt und die Sicherheit, die ein weiteres Tier gibt. Es kann passieren, dass es sich zurückzieht oder gar aggressiv wird. Mehrere Tiere unterstützen sich gegenseitig, sind oft mutiger und wenn man sich mit seinen Tieren beschäftigt, können mehrere genauso zahm werden wie ein einzelnes.
Natürlich kommt es dabei immer auf den Charakter und die Erfahrungen an, ob sie zutraulich sind, aber dies sollte man bei jedem Tier respektieren.

„Er lebt schon immer alleine“
Dies hat nicht zu bedeuten, dass das auch zukünftig so sein muss. Unserer Erfahrung nach kann man auch Tiere, die lange alleine gelebt haben, durchaus vergesellschaften. Man kann sogar ein deutliches Aufblühen des Schützlings beobachten, er wirkt lebensfroher, bewegt sich mehr, wird aufmerksamer usw…

„Er mag keine Artgenossen, wir haben es schon mehrmals versucht“
Eine Vergesellschaftung bedeutet für ein Tier immer eine Zwangsverpaarung und so kann es passieren, dass sich die Tiere nicht sympathisch sind und eine Zusammenführung scheitert. Dies bedeutet aber keinesfalls, dass sie sich mit keinem einzigen Artgenossen verstehen, es war vielleicht einfach nur nicht der richtige. Im Tierheim bieten wir an, dass Tiere, deren Vergesellschaftung nicht geklappt hat, zurückgegeben werden können und es gegebenenfalls mit einem weiteren versucht werden kann.
Weitere Gründe für ein Scheitern können aber auch eine falsche Herangehensweise der Zusammenführung ( z.B. zu enger Raum, ins eigenen Revier einfach dazu gesetzt, über Nacht immer wieder getrennt, hormonbedingte Unverträglichkeit von z.b. unkastrierten Rammlern oder kranken Weibchen, usw. ), eine falsche Wahl der Geschlechterkombination oder ein zu kleiner Käfig sein.
Je nach Tierart geht man unterschiedlich bei Vergesellschaftungen vor und man sollte sich zuvor gut informieren, auch wir beraten Sie gerne.

„Er wurde aber alleine sehr alt und er war nie krank“
Einzelhaltung wirkt sich bei vielen Tieren nicht in körperlichen kränklichen Anzeichen aus, aber daraus zu schließen dass es das Beste für das Tier ist, ist nicht richtig. Wenn man sich das Verhalten unter den Tieren ansieht, muss einem eigentlich sehr deutlich auffallen, dass das Wohlbefinden unter Artgenossen wesentlich höher sein muss. Aber wenn man ein Tier immer einzeln hält, kann einem dies gar nicht auffallen und man erkennt daher auch die Unterschiede nicht.

„Für zwei haben wir keinen Platz“
Unsere Meinung: wo für zwei Tiere kein Platz ist, ist für eins auch keiner vorhanden.
Leider noch viel zu häufig werden Tiere in viel zu kleinen Käfigen gehalten, in denen sie niemals ihren Bedürfnissen nachkommen können. Aber dies kann weder ein einzeln gehaltenes Tier, noch mehrere. Tiere brauchen Raum für Bewegung, Beschäftigung, Abwechslung.

„Der Partner ist gestorben und wir möchten keinen neuen mehr, weil wir danach mit der Haltung aufhören möchten“
Natürlich kommt es in Paarhaltung immer vor, dass eines der Tiere früher verstirbt. Trotzdem sollte man das hinterbliebene Tier nicht alleine lassen. Möchte man mit der Haltung aufhören, kann man sich ein Tier im ungefähr gleichen Alter suchen, wobei es natürlich trotzdem meist passiert, dass wieder eines früher stirbt.
Manche Vereine bieten die Möglichkeit, ein Partnertier „leihweise“ aufzunehmen, das heißt, wieder zurück zu geben, sollte das eigene Tier sterben. Wir suchen vorzugsweise ein dauerhaftes Zuhause, aber bei anderen Vereinen der jeweiligen Tierart kann man sich erkundigen.
Eine weitere Möglichkeit wäre, das Tier abzugeben. Wir verstehen, dass dies mitunter schwer ist, einen geliebten Mitbewohner herzugeben, aber bevor man ihn deshalb alleine weiter leben lässt, sollte man sich Bewusst machen, dass es für das Tier besser ist, wieder mit Artgenossen zusammen sein zu dürfen.

„Wir wollen aber keinen Nachwuchs und eine Kastration tun wir ihm nicht an“
Keinen Nachwuchs produzieren zu wollen, ist zwar der richtige Ansatz, aber damit die Einzelhaltung zu rechtfertigen, nicht. Natürlich birgt eine Kastration Risiken, aber dies sollte man in der heutigen medizinisch fortgeschrittenen Zeit wirklich eingehen, denn vor allem bei männlichen Kaninchen ist dies der einzige Weg, einem Tier die dauerhafte Einzelhaltung zu ersparen.

„Wir beschäftigen uns ganz viel und verbringen viel Zeit mit ihm“
Was bedeutet für uns Menschen viel Zeit? Drei Stunden nach der Arbeit abends z.B. hört sich viel an, aber betrachtet man es auf den ganzen Tag bezogen, so bleiben dem Tier noch weitere 21 Stunden, in denen es alleine ist. Wir können uns wirklich nur einen Bruchteil von der Zeit mit dem Tier beschäftigen, wie es Artgenossen tun würden.
Auch das Verständnis von Beschäftigen ist relativ, denn es wird oft mit reiner Anwesenheit verwechselt, weil man sich im gleichen Raum befindet, das Tier vielleicht ab und zu krault und mit ihm spricht. Aber das Sozialleben der Tiere ist wesentlich komplexer, sei es Körperkontakt (Tag und Nacht), sich verständigen durch Laute und Körpersprache, gemeinsam Dinge unternehmen und entdecken, gemeinsam Fressen oder sich auch mal um die besten Happen zanken, gegenseitige Körperpflege (Ohren und Augen putzen) und Fell-/Gefiederpflege, sich Füttern/Balzen (Vögel), Rangordnung ausleben, Aufpassen, dass keine „Feinde“ kommen, so dass sich der jeweilige andere so richtig entspannen kann, und so vieles mehr.

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https://youtu.be/USB9mgEAwsA

Fazit: kein Mensch kann einen artgleichen Partner für ein Kleintier ersetzen und wir sehen es als Tierquälerei an, ein soziales Tier dauerhaft einzeln zu halten.